Rauchfrei durch Hypnotherapie Interview mit Wilhelm Gerl, erschienen in PTAheute, Nr. 11, Juni 2007, Stuttgart: Deutscher Apotheker Verlag
Haben Sie schon von erfolgreicher Raucherentwöhnung durch Hypnose gelesen oder gehört? Auch im Internet
stößt man auf entsprechende Angebote. Die PTAheute-Redaktion wollte wissen, was hinter einer „hypnotherapeutischen Raucherentwöhnung“ (so der fachlich korrekte Ausdruck) steckt. Deshalb befragten wir dazu
einen Experten, den Psychotherapeuten Wilhelm Gerl aus München.
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Herr Gerl, Sie legen Wert auf die Unterscheidung zwischen Hypnose und Hypnotherapie. Warum?
Gerl: Die Hypnotherapie ist ein wissenschaftlich anerkanntes Therapieverfahren mit erwiesener, signifikanter Wirksamkeit im Indikationsbereich Nikotinabusus.
Hypnose hingegen ist eine schnell erlernbare Psychotechnik, die häufiger auch von Laien für therapeutische Zwecke angeboten wird. Sie ist keine anerkannte Suchttherapie.
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Für welchen Personenkreis ist Hypnose bzw. Hypnosetherapie besonders geeignet?
Hypnose kann bei hochsuggestiblen Menschen schon aufgrund ihrer Erfolgserwartung erstaunlich wirksam sein. Als „hochsuggestibel“ bezeichnet man Personen, die
besonders empfänglich für Suggestionen sind bzw. sich leicht tun, diese Ideen in die entsprechenden Erlebnis- und Verhaltensweisen umzusetzen.
Die Erfolgsrate in der Raucherentwöhnung mit herkömmlicher Hypnose ist anfangs hoch; bei der Überprüfung der Rauchfreiheit nach einem Jahr ist sie aber mit zirka 25
Prozent nicht höher als die anderer gängiger Verfahren.
Die moderne Hypnotherapie hingegen ist kein starres Hypnoseritual, auf das nur 20 Prozent spontan ansprechen. Hypnotherapie orientiert sich an der betreffenden
Person, an ihrer persönlicehn Situation, an ihren individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Deshalb ist sie für die meisten Menschen geeignet, ihr Raucherkapitel endgültig und so zu beenden, dass es für sie dann
wirklich stimmt.
Die hypnotherapeutische Raucherentwöhnung wird häufiger von Rauchern in Anspruch genommen, die es „nun endlich richtig angehen“ wollen. Nach unbefriedigende
Erfahrungen mit Billigangeboten oder schnellen Lösungen („Rauchfrei in einer Stunde!“), haben sie kapiert, dass ihr bewusster Wille die Rechnung nicht ohne den Wirt (Organismus und Unbewusstes) machen kann. Sie
hören auf, gegen „die Sucht“ zu kämpfen und ziehen es vor, ihr Unbewusstes inklusive seiner das Suchtverhalten steuernden Anteile konstruktiv in den Lösungsprozess einzubeziehen. Dies erfordert einen gewissen
Lern- und Zeitaufwand.
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Wie viele Behandlungen/Sitzungen sind erforderlich – über welchen Zeitraum?
Statistische Auswertungen von Raucherstudien haben ergeben, dass Entwöhnungen, die 4 bis 5 Sitzungen umfassen, die besten Erfolge verzeichnen. Die meisten süchtigen
Raucher brauchen einfach etwas Zeit (4 bis 6 Wochen) um das zu lernen, was für einen anhaltenden Erfolg erforderlich ist. Die Wirkung der Erfahrungen in der hypnotischen Trance muss sich entfalten können. Auch die
Selbsthypnose will anfangs geübt und ausreichend praktiziert werden.
Wir von der SMOKEX®-Arbeitsgemeinschaft arbeiten mit Einzelpersonen in der Regel fünf Stunden (in vier Sitzungen). Den Termin für die vierte Sitzung oder den Tag, an dem die Zigarette abgesetzt wird,
finden wir in Abstimmung mit dem Unbewussten der betreffenden Person. Bis dahin raucht sie noch, um dann, zum rechten Zeitpunkt, in einem hypnotischen Ritual die Zigarette endgültig zu verabschieden.
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Was passiert bei der Hypnotherapeutischen Raucherentwöhnung?
Natürlich ist da zuerst die individuelle Eingangsdiagnostik mit Klärung der Motivation sowie des Ausmaßes der stofflichen Abhängigkeit. Dann wird zielorientiert die
Motivation hin zum Freisein verstärkt, unter anderem durch die lebendige Vergegenwärtigung dieser Möglichkeit in einer intensiven hypnotischen Imagination. Dabei wird die Trancebereitschaft der Person getestet und
anschließend ihr individueller Stil, wie sie auf natürliche Weise abschaltet und in Trance geht, erkundet.
Hilfreiche Suggestionen hinsichtlich geeigneter Sicht- und Verhaltensweisen werden eher indirekt, gesprächsweise, gegeben, auch mithilfe von Informationspapieren und
Fragebögen, welche die Person zuhause bearbeitet. Die wirksamen posthypnotischen Suggestionen sind positive Imaginationen, also lebendige Bilder, welche die Person in Trance von sich aus entwickelt.
In den Sitzungen wird die individuelle Trance vertieft, so dass ein Signalsystem mit dem Unbewussten etabliert werden kann, von dem dann hilfreiche Hinweise bezogen
werden, zum Beispiel bezüglich des Tages des Aufhörens oder für befriedigende Verhaltensalternativen in typischen Versuchungssituationen.
Bei ca. 80% der Raucher ist eine Nikotinsucht gegeben. Dieser muss gewissermaßen der biochemische Boden entzogen werden. Denn das Nikotin dockt im Gehirn an den
Rezeptoren des Neurotransmitters Serotonin. Und weil das Nikotin schneller wirkt, wird es vom Gehirn als das „bessere“ Serotonin gefordert. Deshalb beraten wir auch hinsichtlich geeigneter Ernährung, damit Raucher
ihren Serotoninspiegel wieder auf natürliche Weise erhöhen und stabilisieren. Auch die persönlichkeitsstärkende Wirkung der hypnotherapeutischen Beziehung wirkt sich dahin gehend aus. Im Hinblick auf die
Entwicklung einer eigenständigen personalen Identität leistet die hypnotherapeutische Arbeit Erstaunliches. Wer mit ihrer Hilfe frei wird, ist dann in keiner Weise mehr durch das Rauchen definiert. Man ist dann kein Nichtraucher
(eine vergleichsweise unattraktive Identität), sondern ein Mensch in seinem eigenen Recht. Und dieses Bündnis mit dem Leben wird schließlich im hypnotischen Ritual der Verabschiedung der Zigarette neu bekräftigt.
? Und was kostet das?
Die erste Sitzung ist eine Doppelstunde (90 Minuten) und kostet 160,- Euro, jede weitere Stunde 110,- Euro.
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Wie findet man einen geeigneten Therapeuten? Auf welche Qualifikation sollte man achten?
Ein überregionales Netzwerk hypnotherapeutisch arbeitender Raucherentwöhner bietet die SMOKEX®-Arbeitsgemeinschaft - zu erreichen unter www.smokex.de.
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Wie hoch sind die Erfolgschancen?
Wissenschaftliche Effektivitätsstudien an der Universität Tübingen, bei denen nach einem Jahr überprüft wurde, wie viele der teilnehmenden Raucher seit ihrer
hypnotherapeutischer Entwöhnung durchgehend rauchfrei waren, erbrachten Erfolgsquoten von bis zu 62 Prozent.
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